Frühkindliche Reflexe (Neugeborenenreflexe oder Primitivreflexe) dienen Babys als Selbstschutz und Hilfe bei der Nahrungssuche. Neugeborenenreflexe sind eine Reaktion des Babys auf äußere Reize und verschwinden mit jedem Entwicklungsfortschritt des Babys.
In diesem Ratgeber über Neugeborenenreflexe erfahren Sie
- welches die wichtigsten Neugeborenenreflexe sind und bis zu welchem Lebensmonat sie andauern
- welche Bedeutung frühkindliche Reflexe haben
- wann frühkindliche Reflexe ein Risiko für die Kindesentwicklung darstellen
Kapitelübersicht
Frühkindliche Reflexe im Überblick mit Tabelle
Frühkindliche Reflexe sind lebenswichtige Reaktionen des Babys auf äußere Reize. Diese angeborenen Reflexe (Neugeborenenreflexe) dienen dem Selbstschutz und werden instinktiv ausgeführt, bis das Baby mit zunehmendem Lebensalter lernt, seine Muskeln zu kontrollieren. Frühkindliche Reflexe treten nach der Geburt auf und werden in den ersten Lebensmonaten beibehalten. Nachfolgend erfahren Sie mehr über die wichtigsten Neugeborenenreflexe.
Moro-Reflex
Der Moro-Reflex beschreibt die Reaktion von Neugeborenen auf Geräusche oder das Gefühl zu fallen. Meist wird der Moro-Reflex durch ein Zurückfallen des Kopfes ausgelöst. Dies geschieht beispielsweise, wenn Eltern ihr Baby hochheben oder hinlegen. Der Moro-Reflex löst den Schreckreflex aus, der Arme und Beine ausgestreckt und den Rücken krümmt. Dieser Moro-Reflex bleibt bis zum 3. bis 4. Lebensmonat.
Saugreflex
Berührt man Babys am Mund, beginnen sie am Finger zu saugen. Dieser Saugreflex hat die Aufgabe, Nahrung (Muttermilch) aufzunehmen. Den Saugreflex kann man beim Stillen beobachten, sobald das Baby die Brustwarze berührt. Der Saugreflex bleibt bis zum 5. Monat.
Greifreflex und Klammerreflex
Frühkindliche Reflexe wie den Greifreflex oder Klammerreflex beobachtet man, wenn man die Hand- oder Fußflächen berührt. Dann greifen Babys mit ihren Fingern zu oder beugen ihre Füße. Dieser Greifreflex bzw. Klammerreflex hat seinen Hintergrund (wie die anderen Neugeborenenreflexe auch) in der menschlichen Evolutionsgeschichte. Er setzt ab dem 2. Tag nach der Geburt ein und bleibt bis zum 6. Lebensmonat.
Suchreflex
Der Suchreflex bleibt von der Geburt an bis zum 4. Lebensmonat erhalten. Er wird ausgelöst, sobald man die Wange berührt oder wenn man das Baby an die Brust legt. Normalerweise tritt der Suchreflex auf, wenn das Baby hungrig ist. Anhand dieser Reaktion kann die Mutter also erahnen, wann es Zeit zum Stillen ist.
Schreitreflex
Sobald man ein Neugeborenes hochhebt und über eine Oberfläche hält, führt es Schreitbewegungen aus, als wolle es gehen. Dieser Schreitreflex wird um den 3. Lebensmonat abgebaut.
Bedeutung der Neugeborenenreflexe
Nicht alle Neugeborenenreflexe haben eine lebenswichtige Bedeutung, allerdings sind frühkindliche Reflexe ein Anzeichen für eine gesunde Entwicklung des Babys. So helfen sie im Rahmen der kindlichen Vorsorgeuntersuchung festzustellen, ob die körperliche Entwicklung des Babys gesund voranschreitet oder ob neurologische bzw. motorische Störungen vorliegen.
Interessante Neugeborenenreflexe die der Kinderarzt untersucht, sind unter anderem auch:
- Glabellareflex: Tippt man den Knochenwulst oberhalb der Nasenwurzel an, schließt das Baby die Augen.
- Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (ATNR): Dreht man den Kopf des Babys in Rückenlage zur Seite, werden die Arme und Beine in Blickrichtung gestreckt und auf der anderen Seite gebeugt.
- Symmetrisch tonischer Nackenreflex (STNR): Wird der Kopf gebeugt, beugen sich die Arme im Ellenbogen und die Beine strecken sich. Streckt man den Kopf hingegen, ist die Reaktion umgekehrt.
- Tonischer Labyrinthreflex (TLR): Wird die Halswirbelsäule gestreckt, streckt sich der Körper mit. Beugt man die Halswirbelsäule, beugt sich auch der Körper.
- Placing-Reaktion (Streigreflex): Streicht man den Fußrücken entlang, macht das Baby einen Schritt nach oben, als wolle es eine Stufe hochsteigen.
- Galantreflex: Streicht man in Bauchlage neben der Wirbelsäule entlang, beugt sich die Wirbelsäule zur Seite.
Achtung: Das Austesten der Neugeborenenreflexe sollten Sie nur dem Kinderarzt überlassen!
Frühkindliche Reflexe abbauen – Therapiemöglichkeiten
Ab einem gewissen Alter muss das Baby frühkindliche Reflexe abbauen, um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen. Baut das Baby beispielsweise nicht den Greifreflex ab, so besteht das Risiko, dass es später nicht das Krabbeln erlernt. Denn durch den Greifreflex kann es nicht in den Handstütz gehen.
Bleiben bestimmte frühkindliche Reflexe bis zu einer gewissen Altersgrenze bestehen, sind motorische Therapien notwendig. Anhand der kindlichen Vorsorgeuntersuchung werden Ursachen für eine Fehlentwicklung erkannt und eine geeignete motorische Therapie abgeleitet.
Je nachdem welche Neugeborenenreflexe betroffen sind, können diese ein Indiz für eine Erkrankung oder Entwicklungsstörung sein. Werden motorische Fähigkeiten beeinträchtigt, kommt es beispielsweise zu Entwicklungsstörungen, die Lernschwächen im Kleinkindalter zur Folge haben. Bauen sich frühkindliche Reflexe nicht mehr ab, bestehen folgende Risiken:
- gestörte Motorik
- schlechte Handschrift
- Probleme bei der Wahrnehmung von symmetrischen Figuren
- Leseschwäche
- Rechtschreibschwäche
- Sprachstörungen
Zur Behebung dieser Entwicklungsstörungen helfen verschiedene Therapieformen wie z.B. Ergotherapie, Logopädie oder eine Reflexhemmungstherapie.
Hinweis zur Qualität unserer Artikel: Die Erstellung unserer Ratgeber erfolgte unter Berücksichtigung von Quellen aus der ärztlichen Fachliteratur, Schwangerschaftsbüchern, medizinischen Datenbanken und themenrelevanten, sowie aktuellen Studien.Literatur
- Gesundheits- und Kinderkrankenpflege: 275 Bilder 106 Tabellen – Express Pflegewissen, Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2009
- Jorch, G.; Fetoneonatale Neurologie: Erkrankungen des Nervensystems von der 20. SSW bis zum 20. Lebensmonat, Thieme Verlag 2013
Online-Quellen
- Deutsche Gesellschaft für neurophysiologische Entwicklung e. V., Wie kommt es zu Hyperaktivität, ADHS oder Wahrnehmungsproblemen und woran erkenne ich Entwicklungsstörungen bei Kindern?, https://dgne.de/informationen/neurophysiologische-entwicklungsstoerungen/ (Abrufdatum: 29.05.2019)
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